2.2 Das Paradoxon der Offenbarungen
Um es gleich vorwegzunehmen, diese Erörterung ist keine Ansammlung von Widersprüchen in den jeweiligen niedergeschriebenen Offenbarungen. Es gibt in der christlichen Überlieferungen eine große Zahl von offensichtlichen Fälschungen, Fehlern und Widersprüchen. Genauso können wir im Koran auf Widersprüche oder fragliche Verse hinweisen.
Solche Offensichtlichkeiten sollen hier nicht Thema werden.
Stattdessen werden wir im Folgenden philosophisch und frei von Ideologien darüber nachdenken und zur Diskussion stellen, ob Überlieferungen der Worte Gottes tatsächlich das immer gültige und damit das vollkommene Wort Gottes enthalten können.
Jede Überlieferung des Wortes Gottes hat zwei Bereiche, welche eine Überlieferung begrenzen.
Ein einfacher mathematischer Ansatz nach der Mengenlehre zeigt uns diese Problematik. Betrachten wir die Menge an Wissen, welche der Mensch in der Lage ist, aufzunehmen und die Menge an Wissen Gottes und es ist offensichtlich, dass die Menge des Wissens Gottes größer sein muss als die mögliche maximal aufzunehmende Menge Wissen des Menschen.
Gott müsste nach der Definition eines allmächtigen Gottes über ein unbeschreibbares Wissen verfügen, er muss im Grunde alles, was er erschaffen hat und noch erschaffen wird, alle Regeln, welche er gesetzt hat und noch setzen wird, Vergangenes und Zukünftiges, von Anbeginn an wissen.
Für den Menschen dagegen ist es offensichtlich unmöglich, dieses gesamte Wissen zu empfangen und zu verstehen.
Deshalb kann jede Form der Übertragung des Wissens von Gott auf den Menschen von dem Menschen nur selektiv wahrgenommen und verstanden werden.
Die Gesamtheit der Botschaft Gottes an den Menschen kann also in der Übertragung und in der Erkenntnis kaum und vollständig dem Wort Gottes entsprechen (Damit ergibt sich die Andeutung eines Widerspruches zur Vorstellung der Allmacht Gottes. Denn wenn die Übertragung der gewollten Worte Gottes unvollständig durch den Menschen wahrgenommen wird, würde damit aus der Sicht Gottes ein Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit entstehen und damit ein Bereich außerhalb des Wirkens Gottes definierbar werden. Dieser Widerspruch könnte dadurch gelöst werden, dass Gott seine Worte nach dem Aufnahmevermögen des Menschen richtet, was aber ebenso zu einem Widerspruch zur Gottesvorstellung führt, denn damit müsste Gott sich an eine außerhalb seiner Macht bestehenden Gegebenheit richten, was dem Gedanken der Allmacht Gottes widerspricht).
Den zweiten Aspekt zu der Frage der Fehlerfreiheit der Überlieferungen ist die Unmöglichkeit des Empfangenden, selbst das übermittelte Teilwissen richtig zu interpretieren. Nehmen wir als Beispiel an, dass eine Prophezeiung die Gefahren von Triebwerken der heutigen Flugzeuge zum Inhalt hatte (zugegeben, das ist ein schwaches Beispiel, aber es lässt sich auf eigentlich alle anderen Bereiche übertragen). Vor zweitausend Jahren kannte noch niemand fliegende Maschinen und war auch nicht in der Lage, beispielsweise die Funktionsweise eine Strahlturbine zu verstehen. Die Prophezeiung zu Segen und Schaden einer Strahlturbine würde damit für den Menschen sinnentleert sein. Weder kann der Prophet die Bedeutung der Information erfassen, noch kann er diese richtig weitergeben.
Es gibt noch einen dritten Bereich, welcher die Prophezeiungen als unvollkommen zeigt. Das ist die zeitliche Komponente. Eine Prophezeiung, beispielsweise von Regeln, kann niemals für alle Zeiten und für alle Lebensformen gültig sein. Sie kann bestenfalls für einen Zeitraum gelten, eher auch nur für einen Zeitraum, in welchem der Prophet gerade lebt. Als Beispiel betrachten wir die Vorschrift der Muslime, dass Rindfleisch zu essen erlaubt sei. Für die damalige Zeit hat diese Vorschrift sicherlich ihren Sinn gehabt. Aber wenn wir diese Regel aus der heutigen Sicht betrachten, müsste die Prophezeiung zumindest anders formuliert worden sein, etwa in der Art, dass Rindfleisch gut ist, aber in der Zukunft ein Virus das Essen von Rindfleisch für einen Zeitraum verbieten würde (Rinderwahnsinn, der sich auf den Menschen übertragen kann). Dieses Beispiel macht deutlich, dass eine Prophezeiung immer nur im jeweiligen Zeitkontext gelten kann.
Aus den obigen Argumenten können wir folgern, dass die von Gott empfangenen Informationen unvollständig sein müssen und dass damit die Grundlagen der Religionen, wenn diese sich wortgetreu auf solche Überlieferungen berufen, sehr wahrscheinlich nicht das vollständige Wort Gottes befolgen können.
Ergänzend sei zu sagen, dass ein Prophet oder Mensch mit einer besonderen Gabe, das Wort Gottes zu empfangen, mit der Weitergabe der Worte immer, auch im Bemühen einer richtigen Interpretation der empfangenen Inhalte, eigene Formulierungen verwenden muss. Und diese Formulierungen beruhen auf dem eigenen Kenntnisstand, auf eigenen Bildern, auf eigenen Vorstellungen. Das, was ein Mensch hört, versteht er erst dann, wenn er das Gehörte mit bereits bekannten Bildern im Gehirn verknüpft. Wenn diese Bilder zwangsläufig fehlen, weil diese erst in späteren Zeiten bekannt werden, kann die Interpretation nicht richtig sein.
Ein einfacher Satz möge das eben erörterte deutlich machen:
Das Wort Gottes kann als ein Ozean der Informationen gesehen werden, einem Menschen aber ist es nur möglich, daraus einen Fingerhut voll zu schöpfen. Mit dem Wissen, welches dann im Fingerhut enthalten ist, kann die vollständige Weisheit und Wissen Gottes nicht vollständig erfasst werden.
Die mögliche Erkenntnis daraus soll, damit ein möglicher Konflikt der Überlieferungen mit späteren neuen Erkenntnissen einer Religion nicht mehr zu schaden imstande ist, wie folgt zur Diskussion gestellt werden:
Die Theologien könnten lernen, die Überlieferungen der Worte Gottes in den Zeiten der Entstehung der verschiedenen Religionen neu zu betrachten. Nicht mehr die einzelnen Worte sollten das bestimmende und entscheidende Kriterium sein, sondern der Kontext, die Absicht, die Interpretation zu den unterschiedlichen Wissensständen könnte uns der Erkenntnis des Willens Gottes näher bringen.
Könnten wir unseren Blick erweitern und versuchen, eine Offenbarung nicht mehr als ein alleinstellendes Merkmal der eigenen Religion, sondern im Kontext des Geistes Gottes über alle Zeiten zu setzen, könnte es wahrscheinlich werden, dass wir uns in der Gesamtheit der Religionen den Vorgaben Gottes besser nähern werden.
Eine solche neue Form der Betrachtung der Überlieferungen der Worte Gottes würde, als positiver und vielleicht sogar von Gott gewollter Effekt, der gesamten Menschheit die Vision eines friedlichen Miteinanders aller Religionen näherbringen können.
Weitergehende Diskussionsgrundlagen im Buch: „Neue Theologie Physik Indizien Experimente“
Trailer zum Buch: https://youtu.be/JWR_aD6JgRQ
Webpräsenz des Projektes: https://www.platon-projekt.com